In diesem Artikel möchte ich eine Übersicht über die Geschlechtshormone geben und deren Auswirkung auf unseren Körper erklären. Alle Sexualhormone kommen bei allen Geschlechtern vor, der Unterschied liegt jedoch bei der Menge und Wirkung der Hormone. Bei Frauen gibt es Östrogen und Progesteron in größeren Mengen, bei Männern ist Testosteron meist in hoher Konzentration vorhanden.
Geschlechtshormone
Sexualhormone haben bestimmte Funktionen in der Geschlechtsfestlegung und Sexualfunktion bei Männern und Frauen. Es gibt zentrale Hormone (GnRH, FSH, LH), die im Gehirn produziert werden. Diese steuern und regulieren die Produktion der peripheren Hormone: Östrogen, Progesteron, Testosteron.[1]
Östrogene werden in erster Linie in den Eierstöcken gebildet, aber auch in der Nebennierenrinde und der Plazenta (während einer Schwangerschaft). In der Pubertät bewirkten sie das Wachstum der Brust und Körperbehaarung. Östrogen steigt in der ersten Zyklushälfte an, verursacht den Eisprung und bereitet die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Östrogen hat auch Einfluss auf das Hautbild, die Stimmung und Fettverteilung. Außerdem beeinflusst Östrogen die Knochen- und Herz-Kreislaufgesundheit, was eine wichtige Rolle nach den Wechseljahren spielt, wenn es zu einem Mangel kommt.
Progesteron wird in den Eierstöcken (im Gelbkörper), in der Nebennierenrinde und in der Plazenta (während der Schwangerschaft) gebildet. Progesteron ist wichtig, da es die Gebärmutterschleimhaut auf eine Schwangerschaft vorbereitet. Es steigt deshalb nach dem Eisprung an. Progesteron bewirkt eine Erhöhung der Körpertemperatur. Ein Mangel kann zu Zyklusstörungen, empfindlichem Brustgewebe, Erschöpfung, starkes Schwitzen, Schlafstörungen und innere Unruhe führen.
Testosteron ist das wichtigste männliche Sexualhormon, bei Frauen kommt es normalerweise in niedrigeren Konzentrationen vor. Beim Mann wird es vor allem in den Hoden produziert, kleinere Mengen können auch von der Nebennierenrinde hergestellt werden. Bei männlichen Embryos bewirkt es die Bildung von Penis, Hodensack und Prostata. In der Pubertät werden Wachstum der Geschlechtsorgane, Spermienbildung und Ausbildung der männlichen Geschlechtsmerkmale (z.B. tiefe Stimme, Behaarung) angeregt. Testosteron steigert sexuelles Verlangen, aber auch aggressives Verhalten. Generell beeinflusst Testosteron den Fett- und Zuckerstoffwechsel, außerdem bewirkt es eine Zunahme von Muskelmasse und Knochendichte.
Der Zyklus der Frau
Bei Frauen in den fruchtbaren Jahren schwanken die Hormonspiegel stark und mit ihnen die Stimmung und das Wohlbefinden. Der weibliche Zyklus beginnt mit der Menarche (das Auftreten der ersten Regelblutung (mit ca. 12 Jahren) und endet mit der Menopause (der Zeitpunkt, wenn die Periode 1 Jahr ausgeblieben ist, durchschnittlich um das 50. Lebensjahr). Ein Zyklus dauert normalerweise zwischen 21 und 35 Tage (durchschnittlich 28 Tage) und wird in unterschiedliche Phasen unterteilt. In der ersten Hälfte dominiert Östrogen und ab dem Eisprung (die fruchtbare Zeit) überwiegt Progesteron. [2]
Männer und Hormone
Bei Männern sind die Hormonspiegel grundsätzlich stabiler, aber es kommt zu tageszeitlichen Schwankungen. Morgens sind die Testosteronwerte im Blut normalerweise am Höchsten und sinken am Nachmittag auf einen Tiefpunkt. [3] Die Testosteronwerte sinken mit zunehmendem Alter ab, was allerdings nur in Kombination mit Symptomen (z. B. Erektionsprobleme) relevant ist. Eine vererbte Überempfindlichkeit der Haarwurzeln gegenüber der aktivsten Form von Testosteron, genannt Dihydrotestosteron (DHT), kann zu einer fortschreitenden Verkleinerung der Haarwurzeln und damit zu Haarausfall führen. Es gibt aber Medikamente, um den DHT-Spiegel zu senken.
Warum ist diese Information relevant in der Beckengesundheit?
Die Sexualhormone spielen eine wichtige Rolle bei Problemen im Bereich des Beckens. Ein besseres Verständnis hilft bei der Behandlung.
Wenn zum Beispiel nach den Wechseljahren der Östrogenspiegel abfällt und dies die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose fördert, kann man mit diesem Wissen aktiv etwas dagegen unternehmen. Eine auf Beckengesundheit spezialisierte Physiotherapeutin* kann ein Übungsprogramm zusammenstellen das gezielt den Knochenaufbau und Herz-Kreislauf-Funktion verbessert.
Ein lokaler Östrogenmangel im Bereich der Scheide nach der Menopause, kurzfristig auch nach einer Geburt und in der Stillzeit, kann zu Trockenheit, Juckreiz, Brennen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen. Im weiteren Verlauf können auch Blasenreizungen, Infektionen, Senkungsbeschwerden, Beckenbodenschwäche und Harninkontinenz auftreten. Diese Symptome werden unter dem Begriff „Urogenitales Menopausensyndrom“ zusammengefasst. [4] Bei einer Untersuchung durch eine auf Beckengesundheit spezialisierte Physiotherapeutin* wird auch das Gewebe untersucht und eine vaginale Atrophie (Veränderungen der Schamlippen, Klitoris, Scheidenvorhof, Harnröhre und Scheide) kann entdeckt werden. Eine Gynäkologin* sollte immer hinzugezogen werden, da spezielle Cremen oder Zäpfchen verschrieben werden können, um diesen örtlichen Östrogenmangel auszugleichen. Physiotherapeutisch kann man eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur behandeln und an guten Blasen- und Darmgewohnheiten arbeiten. Auch Schmerzen können behandelt werden, zum Beispiel mit Entspannung, Dehnungen und Atemübungen.
Die Hormonspiegel sind fein abgestimmt und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn es von einem Hormon zu viel oder zu wenig gibt kann das zu Problemen führen. Die Behandlung kann eine medikamentöse Gabe von Hormonen (Hormonersatztherapie, HET) beinhalten. Oft ist aber ein ganzheitlicher Ansatz nützlich, der unter anderem eine gute Ernährung, gezielte Bewegung, gute Blasen- und Darmgewohnheiten, genug Schlaf und Stressmanagement beinhaltet
[1] Bernhard Kleine, Winfried G. Rossmanith: Hormone und Hormonsystem – Lehrbuch der Endokrinologie. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg 2014
[2] Thiyagarajan DK, Basit H, Jeanmonod R. Physiology, Menstrual Cycle. [Updated 2019 Apr 24]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2020 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK500020/
[3] G. A. Kanakis, C. P. Tsametis, D. G. Goulis: Measuring testosterone in women and men. In: Maturitas. 2019, abgerufen am 1. März 2020
[4] Kagan R, Kellogg-Spadt S, Parish SJ. Practical Treatment Considerations in the Management of Genitourinary Syndrome of Menopause. Drugs Aging. 2019;36(10):897-908. doi:10.1007/s40266-019-00700-w
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich hier die weibliche Form.
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