Inkontinenz ist weit verbreitet und beschreibt den unfreiwilligen Abgang von Urin, Stuhl oder Wind. Dies ist meist mit tiefen Einschnitten in die Lebensqualität verbunden und vielen Betroffenen ist es unangenehm darüber zu sprechen, weswegen sie oft keine Hilfe suchen.
Laut der Deutschen Kontinenz Gesellschaft leiden in Deutschland über neun Millionen Menschen an Harn und/ oder Stuhlinkontinenz, wobei die Dunkelziffer wohl um einiges höher liegt. In globalen Studien variieren die Verbreitungszahlen enorm. Die Häufigkeit von Urininkontinenz liegt im Durchschnitt zwischen 25-45%, Frauen sind öfter betroffen als Männer, aber bei beiden Geschlechtern gehen die Zahlen im Alter nach oben [1] [2]. Weltweit leidet eine von acht Personen an Stuhlinkontinenz, wobei es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt[3].
Sehr häufig ist Inkontinenz heilbar, aber meist suchen Betroffene aus Scham keine Hilfe.
Ursachen
Wenn man Blasen- und Darmschwäche hört, denken die meisten an die Altersgruppe jenseits der Wechseljahre. Inkontinenz betrifft jedoch auch junge Frauen, Männer und Kinder. Dass Frauen häufiger betroffen sind, liegt zum einen an Schwangerschaften und Geburten, zum anderen aber auch an der Anatomie (unter anderem der deutlich kürzeren Harnröhre bei Frauen). Männer leiden besonders häufig an Harninkontinenz nach Prostata Operationen. Auch chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes Mellitus, Parkinson, Demenz, Schlaganfall, COPD (Lungenerkrankung) und Arthritis, sowie Übergewicht werden mit Inkontinenz in Zusammenhang gebracht [4] [5].
Unterschiedliche Formen:
In der medizinischen Terminologie werden die Definitionen von ICS (International Continence Society) verwendet. Danach ist Harninkontinenz der unwillkürliche Harnverlust während der Speicherphase (wenn sich die Blase füllt).
Es gibt verschiedene Formen von Inkontinenz:
- Bei der Belastungsinkontinenz verliert man unkontrolliert Urin, wenn der Druck im Bauchraum steigt wie etwa beim Niesen, Husten, Heben oder Sport.
- Dranginkontinenz ist der unwillkürliche Urinabgang beim Urindrang. Man verspürt häufig einen imperativen, überfallartigen Harndrang mit dem Gefühl den Urin nicht bis zur Toilette halten zu können. Manchmal gibt es einen bestimmten Trigger, wie z.B. den Schlüssel in die Tür stecken beim nach Hause kommen. Dranginkontinenz ist ein Anzeichen für eine überaktive Blase und die Ursache kann ein instabiler Detrusor (Blasenmuskel) sein. Allerdings ist es wichtig bei häufigem und starkem Harndrang auch immer an eine Blasenentzündung zu denken, vor allem wenn die Symptome plötzlich auftreten.
- Mischinkontinenz ist ein Mix aus Belastungs- und Dranginkontinenz.
- Überlaufinkontinenz bezeichnet das Überlaufen der vollen Blase. Ursache kann zum Beispiel ein behinderter Harnfluss, eine Nervenschädigung oder Muskelschwäche sein. Es ist wichtig die Ursache abzuklären, um entsprechend gezielt zu behandeln.
Laut ICS ist die anorektale Inkontinenz der unwillkürliche Abgang von Wind oder Stuhl. Auch hier gibt es verschiedene Formen und Unterteilungen, auf die ich in diesem Blog aber nicht weiter ins Detail gehe.
Behandlung von Inkontinenz
Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und hängen von den Symptomen und Untersuchungsergebnissen ab. Es ist wichtig sich professionelle Hilfe zu suchen, auch wenn das häufig die größte Barriere für Betroffene darstellt. Aus Studien wissen wir, dass Beckenbodentraining effizient in der Behandlung von Belastungs-, Drang- und Mischinkontinenz ist. In einem Cochrane Review von 2018 wurden 1817 Frauen aus 14 Ländern erfasst. Es gab zwar Variationen der Behandlungsinhalte, -dauer und Ergebnismessungen, aber insgesamt erfuhren die Frauen in der Beckenboden Trainingsgruppe eine Verbesserung sowohl ihrer Inkontinenzsymptome, als auch ihrer Lebensqualität [6].
Beckenbodentraining wird deshalb als Primärtherapie empfohlen, ist außerdem kosteneffektiv und hat keine Nebenwirkungen. An dieser Stelle möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass Beckenbodentraining nicht für jeden die richtige Behandlung darstellt. Ein/e auf Beckengesundheit spezialisierte/r Physiotherapeut/in kann nach einem ausführlichen Gespräch und Befundaufnahme gezielte Maßnahmen empfehlen und einen Behandlungsplan erstellen.
Eine physiotherapeutische Behandlung kann ein individuelles Trainingsprogram für die Beckenbodenmuskulatur, die richtige Position zum vollständigen Entleeren der Blase, Alltagstipps, Blasentraining, TENS (Elektrostimulation) und andere Strategien enthalten.
Manchmal werden auch Medikamente vom Arzt verschrieben, die zum Beispiel bei Dranginkontinenz gezielt den imperativen Harndrang unterdrücken und sehr erfolgreich mit einem Blasentraining angewandt werden können.
Neben der gezielten physiotherapeutischen und medikamentösen Behandlung gibt es auch operative Möglichkeiten, jedoch ist es sinnvoll immer erst die konservativen Strategien auszuschöpfen. Es ist wichtig spezielle Inkontinenzhilfsmittel (Einlagen, Windeln) zu benutzen, um Schäden an der Haut zu vermeiden. Diese sollten allerdings immer mit Maßnahmen zur Behandlung der Inkontinenz kombiniert werden.
Es gibt Hoffnung für alle, die an Inkontinenz leiden! Egal wie lange diese schon besteht.
[1] I. Milsom & M. Gyhagen (2019) The prevalence of urinary incontinence, Climacteric, 22:3, 217-222, DOI: 10.1080/13697137.2018.1543263
[2] Irwin DE, Milsom I, Hunskaar S et al. Population‐based survey of urinary incontinence, overactive bladder, and other lower urinary tract symptoms in five countries: results of the EPIC study. Eur Urol 2006; 50: 1306–15
[3] Ng KS, Sivakumaran Y, Nassar N, Gladman MA. Fecal Incontinence: Community Prevalence and Associated Factors–A Systematic Review. Dis Colon Rectum. 2015;58(12):1194-1209. doi:10.1097/DCR.0000000000000514
[4] Prevalence and Risk Factors for Urinary Incontinence in Overweight and Obese Diabetic Women; Suzanne Phelan, Alka M. Kanaya, Leslee L. Subak, Patricia E. Hogan, Mark A. Espeland, Rena R. Wing, Kathryn L. Burgio, Vicki DiLillo, Amy A. Gorin, Delia S. West, Jeanette S. Brown; Diabetes Care Aug 2009, 32 (8) 1391-1397; DOI: 10.2337/dc09-0516
[5] J. Koskimäki, M. Hakama, H. Huhtala, T. L. J. Tammela (2001) Association of Non-urological Diseases with Lower Urinary Tract Symptoms, Scandinavian Journal of Urology and Nephrology, 35:5, 377-381, DOI: 10.1080/003655901753224431
[vi] Dumoulin C, Cacciari LP, Hay‐Smith EJC. Pelvic floor muscle training versus no treatment, or inactive control treatments, for urinary incontinence in women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 10. Art. No.: CD005654. DOI: 10.1002/14651858.CD005654.pub4.
Hi Alexandra gute Beiträge habe auch einige Patienten die Interesse hätten ich leite die E Mail weiter LG Heike
Danke Heike!! Liebe Grüße, Alex
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